SUBCULTURE SOUNDSESSION #47 - PAULS ARTISTS

Obwohl sich der Bekanntheitsgrad der meisten Stuttgarter DJs auf die lokale Club Szene beschränkt, herrscht seit jeher im Kessel ein qualitatives Level, mit dem nur sehr wenige Szenen anderer Städte mithalten können. Damit dass auch so bleibt, präsentieren wir Euch jeden Monat mit der subculture Soundsession ein exklusives Set aus unserer Soundcity.
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Hey Jungs! Auch wenn es Euch ihr in diesem Jahr bereits das 16. Pauls-Artists-Jubiläum feiert darf die obligatorische Vorstellungsrunde natürlich nicht fehlen. Wer, wo, was, warum und wieso?
Wir sind Jochen Junker und Axel Conradt aus der schönen Maultaschenschlucht am Neckar. Wir bilden das DJ Team Pauls Artists. Wieso wir das machen? Weil wir unvermindert immer noch eine sehr große Freude an der Musik haben und uns einfach nicht vorstellen können das wir dafür je zu alt werden könnten. Was wir natürlich auch nicht sind!


In medizinischen Fachkreisen werden die Pauls Artists oft als Heilmittel der Chorophobie (Angst vorm tanzen) erwähnt. Worin liegt das Geheimnis, mit dem ihr auch nach knapp 16 Jahren problemlos für stetigen Bewegungsfluss auf dem Dancefloor sorgt?
Das lässt sich zur Veranschaulichung recht einfach in eine Formel packen: X = Move x Bass2 / FX x Volume. X steht hier selbstverständlich für den DJ an sich.


Nicht nur für euch, sondern für die gesamte Entwicklung der elektronischen Szene in Stuttgart waren Institutionen und Treffpunkte wie der Pauls Musique, Humpty Records oder Delirium essentiell und unverzichtbar. Mittlerweile gibt es nur noch Pauls Musique und oft hat man das Gefühl, dass neuere Generationen die Wertschätzung für solch wichtige Anlaufpunkte komplett aus den Augen verloren haben. Der ewige Fluch des Idealismus oder wie seht ihr das?
Ja, als Anlaufstelle der Musikschaffenden und DJs bis hin zu den Szene-Gästen hat das stark abgenommen. Da hast Du völlig Recht, Chris. Der Kollektivgedanke hat sich in den letzten Jahren, vielleicht auch gefördert durch die technische Entwicklung und die unglaubliche Bequemlichkeit der Konsumenten, stetig zurück entwickelt. Heute trifft man sich zum Austausch über Sound, Technik und Trends doch eher im Netz oder man kocht im schlimmsten Fall zuhause „sein eigenes Süppchen“.


16 Jahre Pauls Artists. Hut ab! Man kann wahrscheinlich mittlerweile schon von einer eheähnlichen Beziehung sprechen in der ihr mehr Intimitäten, Flüssigkeiten und Geheimnisse geteilt habt als mit jedem Beziehungspartner. Ehre oder Fluch?
Das ist absolut richtig. Und wir können das sofort und ohne zögern mit Ehre beantworten. Ehre weil es zeigt, dass man respektvoll und sehr freundschaftlich miteinander umgehen muss um so eine lange Zeit ohne nennenswerte Dissonanzen hinter sich zu bringen. Ehre weil es auch in Punkto der gemeinsamen Planungen einfach immer 100%iges Vertrauen bedeutet. Wir können sagen, dass dies immer erstaunlich gut hingehauen hat. Es ist und bleibt auch eine Frage des konstanten Austauschs, der Reflexion und der Gesprächskultur.


Wie in jeder Beziehung wird es bestimmt auch mal bei Euch krachen. Wer übernimmt den weiblichen, wer den männlichen Part?
Das hat nichts mit weiblich oder männlich zu tun. Hier geht es eher um Charaktere und Argumente. Das Gute ist, dass wir hier die Rollen sozusagen immer wieder tauschen. In der Vergangenheit haben wir es so bestens hinbekommen, eine Differenz mit einem längeren Gespräch und logischen Argumenten wieder in die gemeinsame „Wohlfühlzone“ zu bringen. Man kennt sich ja schließlich nicht erst seit gestern und weiß sehr gut wie der andere tickt.


Ist es überhaupt möglich, 16 Jahre lang musikalisch immer auf einer Wellenlänge zu bleiben?
Ja - das hat wunderbar geklappt. Da diese Wellenlänge recht große Amplituden aufweist ist da ja auch eine Menge Platz für einen weitgefächerten Geschmack. Da wir auch recht unterschiedliche Gigs in musikalisch nicht allzu gleichförmigen Clubs spielen ist hier genügend Variationsmöglichkeit gegeben. Des Weiteren entscheiden wir grundsätzlich gemeinsam welche Tracks den Weg in das aktuelle Set schaffen.


Seit gefühlten Ewigkeiten erfreut ihr Euch einer monatlichen Residency im Climax. Was macht das Climax für Euch so besonders und einzigartig?
Das Climax ist und bleibt in Stuttgart der Melting Pot für qualitative elektronische Musik ohne jede Woche mit großen Namen protzen zu müssen. Es ist außerdem das Sammelbecken der Gastro-Schaffenden nach deren Dienstschluss. Wir haben hier weiterhin eine super interessante Mischung aus jungen Musikbegeisterten und alten Nightlifehasen.
Michael Gottschalk ist hier auch noch im Besonderen zu erwähnen. Als Inhaber, Freund und Wegbereiter der Szene - damals wie heute - und auch als der Gründer dieser bereits 19 Jahre existierenden Club-Institution. Er versteht es wie kaum ein anderer spannende Acts und Veranstalter um sich zu scharen und hier Monat für Monat stets ein ehrliches und anspruchsvolles Programm auf die Beine zu stellen.


Wer braucht länger um ein hartes Wochenende zu verdauen?
Wir können das auch diesmal in einer einfachen Formel darstellen: X = Alkohol x Menge / % - late check out. Der Kenner sieht es sofort. Das X steht hier nun für die resultierende Größe des zu erwartenden Katers.


Gab es nie den Zeitpunkt an dem ihr einfach keinen Bock mehr hattet? Und falls ja - aus welchen Gründen?
Es gab Zeiten in denen wir zumindest auf bestimmte technische Gegebenheiten „keinen Bock“ mehr hatten. Es ist schon sehr frustrierend wenn bei zwei von drei Gigs die Turntables einfach nicht mehr in einem verwendbaren Zustand vorgefunden werden. Das hatte sich zu Beginn der Traktor, CD-Player und Controller Ära so eingeschlichen. Da wurde mancherorts einfach die Wartung der Decks eingespart. Für uns hat dies wohl final den Umstieg auf das digitale Auflegen mit sich gebracht. Diesen Schritt bereuen wir bis heute nicht. Obwohl wir, wo möglich, immer noch gerne die eine oder andere schwarze Scheibe dabei haben.


In den 16 Jahren haben sich unzählige wilde und exzessive Feiern angehäuft. Welche zwei sind für Euch bis heute unvergessen und unerreicht?
Unser Gig im ersten Rocker 33, in den ehemaligen Räumen des Musikhaus Molu, ist für uns immer noch unvergessen. Mit dieser 2 monatigen Off-Location wurde definitiv Stuttgarter Underground-Geschichte geschrieben. Und dann natürlich ein legendärer Auftritt im Garten des Suicide Circus in Berlin zum Sonnenaufgang. Das Publikum und wir kamen danach wahrlich auf allen Vieren wieder oben auf der Revaler Straße an.


Gibt es nach einer so langen Zeit überhaupt noch unerfüllte Träume?
In Punkto DJ Gigs haben wir uns sehr vieles bereits erfüllen dürfen und sind dafür sehr dankbar. Ein großer Wunsch wäre aber immer noch ein Termin in einem relevanten Club in London. Da wir große Fans des „Sound of UK“ und damit auch des Sounds der Hauptstadt sind würden wir diese gerne bespielen.


Ihr betreibt bereits seit Jahren ein umfangreiches Netzwerk an befreundeten DJs und Veranstaltern. Tretet ihr gezielt an Künstler, Labels oder Clubs heran oder ist das Pauls Artist Netzwerk hauptsächlich das Ergebnis jahrelanger harmonischer Zusammenarbeit?
Das meiste sind hier gewachsene Beziehungen von denen wir viele sehr freundschaftlich sehen. Das Netzwerk ist gesund und langsam gewachsen und hat sich in Teilen dadurch konstant selbst erweitert. Man kennt sich und empfiehlt sich mit gutem Gewissen gerne weiter.


In den letzten 16 Jahren hat sich die regionale sowie internationale Musikszene, unter anderem durch Technik und das Internet, komplett verändert. Wie seht ihr die grundsätzliche Entwicklung der globalen elektronischen Musik? Was fehlt von früher und was ist unersetzbar geworden?
Unersetzbar ist mit Sicherheit die digitale Verfügbarkeit fast jedes Tracks in unlimitierter Menge für jedermann. Im selben Atemzug muss man dazu aber auch sagen, dass der Output für Einsteiger wie auch für Profis zum unüberschaubaren Fulltime Job mutiert ist.
Des einen Fluch, des anderen Segen. Wir hatten uns damals geärgert, wenn das langersehnte Release in so kleiner Stückzahl gepresst worden ist, dass die Scheibe dann sofort vergriffen war. Heute macht uns das keine Probleme mehr, allerdings hat die Musik leider irgendwie auch etwas an Wertigkeit verloren.
Das liegt wohl grundsätzlich daran, dass du früher den Preis eines nagelneuen Mittelklassewagens investieren musstest, bevor der erste Ton aus den Boxen deines Heimstudios erklang. Heute geht das locker schon zum Preis eines alten gebrauchten Opels.


Gilt dasselbe auch für unsere regionale Stuttgarter Szene?
Das gilt selbstverständlich auch regional. Die lokalen Acts hier haben in dieser nicht abreißenden Flut ja noch mehr Probleme Aufmerksamkeit zu generieren.


Ihr habt mittlerweile bestimmt schon drei oder vier Feiergenerationen "überlebt". Fühlt ihr Euch manchmal etwas bezugslos zu vielen jüngeren Generationen in den Clubs? Oder hält Euch gerade dieser stetige Wandel jung?
Genau dieser stetige Wandel ist ein sehr wichtiger Teil unserer Motivation. Außerdem wiederholt sich ja vieles auch immer wieder. Aktuell haben wir nun die nächste Generation, die zu den Beats unserer damaligen Epoche, der 90er House Music, total abfährt. Das ist für uns wirklich schön zu sehen.


Natürlich lasst ihr es Euch nicht nehmen, dass Jubiläum ausgiebig im Climax zu begießen. Und mit dem "Mild Pitch" Label-Gründer Manuel Tur dürft ihr Euch am 14.November zudem auf ein absolutes Highlight-Booking freuen. Wieso gerade Manuel Tur? Und klar, wir wissen dass es wild wird. Gerüchten zufolge soll aber an diesem Abend ein neuer Höchstwert auf der Feierskala anvisiert werden. Wie stehen die Chancen?
Manuel stellt für uns seit geraumer Zeit ein Musterbeispiel eines noch jungen aber bereits sehr eigenständigen House-Produzenten dar. Er ist sehr wandlungsfähig und kann auf eine große Anzahl unglaublich qualitativer Produktionen zurück schauen. Viele davon fanden den Weg in unsere Sets. Somit war es ein langgehegter Wunsch ihn einzuladen.
Wild? Wild waren die Neunziger. Wild sind unsere Haare nach einer Auflege-Nacht. Das reicht nicht zur Beschreibung. Es wird maximal und interstellar werden. Und zwar weil Manuel und wir Geburtskinder zusammen ein Feuerwerk abfeuern werden, dass das Climax so noch nicht erlebt hat.


Über Manuel Tur und seine Produktionen muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Aber wie sieht das bei Euch aus? Ein bisher recht unbeschriebenes Blatt bei den Pauls Artists. Aber ich habe gehört, dass ihr aktuell auf der Suche nach Labels seid und auch schon erste fertige Tracks im Studio entstanden sind. Könnt ihr uns ein wenig über die neuen Produktionen erzählen?
Hier ist in den letzten 12 Monaten nach Einrichtung unseres eigenen Studios viel passiert. Die ersten drei Tracks sind fertig und wurden bereits auf dem Dancefloor ausgiebig getestet. Wir sind sehr zufrieden und werden uns nun um das perfekte Mastering und eine mögliche Vermarktung kümmern.
Vorab steht hier aber, wie du es richtig sagst, aber die Suche nach einem Label. Das muss zu uns und wir zu ihm passen. Nicht ganz einfach, denn auch hier herrscht ein wahrlich unübersichtliches Angebot vor. Und außerdem wäre es natürlich für uns alte Hasen ein Wunsch dieses Release auf jeden Fall auch in haptischer Form zu erstellen.


Eine doch berechtigte Frage - wieso gerade jetzt?
Wenn wir über Wünsche gesprochen haben, ist das einer dieser Wünsche, der bis dato noch offen geblieben ist. Und alles auch immer zu seiner Zeit. Wir lesen und informieren uns seit 20 Jahren. In fremden Studios arbeiteten wir schon länger aber immer nur sporadisch. Und um hier wirklich Gas zu geben musst du einfach das Equipment immer Verfügbar haben.


Ist es schwer heutzutage ein passendes Label zu finden, vor allem wenn man nicht einfach das Release veröffentlichen möchte, sondern auch nach einem passenden und harmonierenden Label-Umfeld sucht?
Das ist genau das was wir in den nächsten Monaten herausfinden wollen.


Wollt ihr das Thema Produktionen in Zukunft energischer angehen? Oder lasst ihr Euch in dem Thema gar nicht stressen?
Da es immer um den Spaß an allem ging, und auch bis heute geht, lassen wir uns hier kein
Tempo vorgeben. Es kommt wie es kommt. Die Inspiration kannst du nicht timen. Und eins ist klar, wenn er nicht perfekt ist verlässt der Track auch nicht das Studio.


Gibt es bei Euch eine bestimmte Aufgabenteilung im Studio? Und welches Equipment steht Euch momentan zur Verfügung?
Wir haben hier mittlerweile einen guten Weg gefunden. In erster Linie erstellen wir vorab Layouts in roher und intuitiver Form. Hier passiert viel auch im Jam oder beim Improvisieren. Die Quintessenz daraus wird weiter verfolgt.
Neben Rechner und DAW wurden im letzten Jahr eine Menge externer Klangerzeuger gekauft. Alte und neue Drum-Computer aus dem Hause Roland, Synths von Korg und Clavia, dazu noch analoge und digitale Effekte als Hardware-Geräte. Hier ist noch lange nicht Schluss.


Ihr bekommt von der Stadt 150m² Fläche in der Innenstadt geschenkt. Der Grund? Es soll eine Pauls Artist Gedenkstätte entstehen. Wie darf man sich diese vorstellen?
Wir stellen uns dieses Denkmal als großen Jungbrunnen vor. Dieser sollte stets gut mit Likör gefüllt sein und ist dann immer so schön am sprudeln. Hier können dann Jung und Alt zusammen kommen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Dabei ist uns besonders wichtig, dass wir die Szenerie, ganz in Bronze gegossen, vom Brunnenkopf aus stets wohlwollend beobachten und das anwesende Volk mit einem milden Lächeln grüßen.


Welche Ehre, ihr sollt den Soundtrack für eine Angela Merkel Kurzdokumentation zusammenstellen. Welche fünf Tracks schaffen es in Eure Auswahl?
Die Amigos - Santiago Blue
Adolf Noise – Wo die Rammelwolle fliegt
Fraktus – Affe sucht Liebe
Peter Licht - Die Transsylvanische Verwandte ist da
Alexander Marcus - Papaya


An dieser Stelle habt ihr die Möglichkeit ein Loblied oder auch eine Hasspredigt über unsere schöne Kesselmetropole loszuwerden.
Um es kurz zu machen oder es wie Max Herre zu sagen: „Stuggi – meine 1ste Liebe“


2015 ist quasi vorbei. Gibt es schon Pläne für nächstes Jahr?
Die Umsetzung neuer und die Fortführung aller bewerten Projekte. Und dazwischen so viel Zeit wie möglich im Studio einzuplanen. Das ist das Ziel.


Zu Guter Letzt – möchtet ihr noch etwas loswerden, jemanden grüßen oder etwas ankündigen?
Zwei Bradwurst bidde - und einmal zwei halber Hahn.

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Christian Schmidt