SUBCULTURE SOUNDSESSION #34 - HOURS

Obwohl sich der Bekanntheitsgrad der meisten Stuttgarter DJs auf die lokale Club Szene beschränkt, herrscht seit jeher im Kessel in sämtlichen Musik Genres ein qualitatives Level, mit dem nur sehr wenige Szenen anderer Städte mithalten können. Damit dass auch so bleibt, präsentieren wir Euch ab sofort jeden Monat mit der subculture Soundsession ein exklusives Set aus unserer Soundcity.

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Hi! Stell dich und deinen Sound unseren Lesern doch kurz vor. Seit wann legst du auf und wie bist du zur Musik gekommen?

Hey! Ich heiße eigentlich Markus Jogun, bin 27 Jahre alt und mache seit 12 Jahren Musik. Mit dem Auflegen hab ich in dem Moment angefangen, als ich das legal im Club durfte, so ein oder 2 Monate nach meinem 18. Geburtstag. Allerdings erstmal keine elektronische Musik, sondern Alternative, Rock & Hip Hop. Bis vor 3 Jahren war ich außerdem in verschiedenen Metal und Rock Bands als Gitarrist aktiv. HOURS habe ich angefangen, um mehr Kontrolle über den kreativen Prozess zu haben und um in meiner Musik weniger Kompromisse eingehen zu müssen. Meinen Sound kann man denke ich am besten als atmosphärisch, hart und treibend aber dennoch recht gefühlvoll beschreiben.

 

Dein Background ist also eher im Rock und Metal Bereich zu suchen. Zwar ist dieser Sound, ebenso wie Techno, auch roh, energetisch und von Tempo geprägt, aber dennoch sind dies zwei komplett verschiedene Welten. Wie bist du zum Techno gekommen?

Das werde ich ziemlich oft gefragt, aber um ehrlich zu sein sehe ich da keinen so großen Unterschied. Beides ist Musik, beides spielt sich größtenteils im Underground ab und, wie du schon sagst, beides ist roh, energetisch und zumindest die Geschichten die mir gefallen sehr atmosphärisch und komplex. Auch befinde ich mich da in guter Gesellschaft, einige meiner Lieblingsacts haben auch Wurzeln im Rock, z.B. Truncate, Sigha oder auch Trent Reznor. Elektronische Musik hat mich immer beschäftigt, teilweise auch in Form von Soundtracks bei Filmen wie Matrix, Blade Runner oder Alien. Man kann da einfach viel mehr experimentieren. Die ersten HOURS Produktionen sind daher auch eher Ambient als Techno, aber irgendwie hat sich dann der Beat eingeschlichen. Am Ende ist für mich aber alles einfach Musik, ich sehe in meinen Produktionen viele Parallelen zu Sludge- und Crust-Bands, das ist sozusagen langsamer Hardcore-Punk. Unter Umständen hätte man das Ganze aber sogar vorhersehen können, mein erster Clubbesuch war mit 16 im Club Prag auf irgendeiner Techno Party ;-)

 

Du wurdest kürzlich ins Artist Roaster des Lehmann Clubs aufgenommen. Erzähl uns doch kurz wie es dazu kam und was es für dich bedeutet als Resident dieses Clubs aufgeführt zu werden.

Das Lehmann ist sozusagen mein zweites Zuhause, und das schon bevor es vor 5 Jahren seine Pforten geöffnet hat. Das Prag war wie gesagt der erste Club in dem ich jemals war, später hab ich da mit 22 angefangen auf den Alternative Parties aufzulegen. Das ging im Lehmann so weiter. Um technisch etwas anspruchsvollere Sachen aufzulegen hab ich auch noch Hip Hop und Funk in ein paar anderen Läden gespielt, aber immer Hits spielen ist nichts für mich. Ich hab einen Schlussstrich gesetzt, beschlossen von vorne anzufangen und HOURS auch als DJ Namen zu benutzen um elektronisch zu spielen. Basti (der Geschäftsführer des Lehmann) hat mich dann mal mehr im Jux vorgeschlagen, um das Warmup für Truncate und Simo Lorenz zu spielen. Simo fand cool was ich da gemacht habe und hat das auch so weiter gegeben. Und ein paar Wochen später war es dann offiziell. Einerseits ist es natürlich super so einen Namen im Rücken zu haben, andererseits wird etwas überschätzt wie viel das im Endeffekt dann tatsächlich bringt: Die Erwartungen an einen sind dann viel größer und man muss dennoch hart für seinen Erfolg arbeiten, niemand schenkt dir da was. Trotzdem ist es toll sich mit den anderen Residents auszutauschen, und wir unterstützen uns wo es geht. Im Lehmann herrscht einfach auch ein super Zusammenhalt, das habe ich in anderen Läden auch schon ganz anders erlebt.

 

Im Gegenteil zu anderen Musik-Genres sind die Möglichkeiten bei Techno ja sehr variabel. Mit welchem Equipment arbeitest du bei deinen Sets und warum?

Nur Auflegen ist mir inzwischen zu langweilig, beim Spielen will ich etwas Neues erschaffen das es so noch nicht gab, die Leute überraschen mit Sachen die sie so noch nicht gehört haben. Wenn man nur eine Platte nach der anderen spielt ist das nicht möglich da fehlt der „Live“-Aspekt wie ich ihn von der Konzertbühne kenne. Außerdem mag ich auch viel experimentelle, atmosphärische elektronische Musik, die aber häufig nicht unbearbeitet auf der Tanzfläche funktioniert. Um das alles unter einen Hut zu bringen hab ich mich für eine Hybridlösung entschieden, die das Beste aus DJing und Live-Set kombiniert, 3 Decks Traktor sowie eine analoge Drummachine (DSI Tempest) und analoge Effekte um das Ganze zu „verkleben“. So kann ich auch sperrigere Tracks clubtauglich machen, atmosphärisch aber trotzdem treibend spielen, experimentieren. Das ist denke ich zumindest in Stuttgart ein Alleinstellungsmerkmal, das macht sonst niemand hier so.

Meine Sets sind dadurch auch jedes Mal etwas anders, da es unmöglich ist zwei Mal genau dasselbe zu machen. Und ich überrasch mich immer wieder selber, einige Grooves die so zufällig im Club entstehen landen dann auch in meinen Produktionen. Sehr spannend das Ganze, wie ein Instrument mit dem man improvisieren kann. Aber ich hab schon wieder tausend Ideen um das auf das nächste Level zu bringen, das ist ein kontinuierlicher Prozess und allein das Setup bauen macht schon sehr viel Spaß.

 

Du hast auch ein eigenes Tonstudio und kümmerst dich auch um das Mastering von Tracks. Worin liegt der Reiz für dich im Studio zu sitzen und Tracks von anderen Künstlern zu bearbeiten? Und beschränkst du dich dabei auch rein auf Techno oder arbeitest du im Studio auch an anderen Genres?

Ich bin Mixdown- und Mastering-Engineer bei den xcubestudios (www.xcubestudios.com). Dabei kommt mir viel verschiedene Musik unter, gerade hab ich zwei Hip Hop Mixtapes gemischt und gemastert und als nächstes steht eine Death Metal Platte an. Das ist cool, mir wird es dadurch nie langweilig. Im Mixdown bin ich außerdem eigentlich auch als Künstler tätig, sozusagen als zusätzliches Bandmitglied. Ich forme den Klang der Songs mit und realisiere die Vision der Band.

Mastering ist leider etwas zum Buzzword verkommen, laut muss es sein. Als Mastering-Engineer sehe ich meine Aufgabe aber primär beratend: einen Limter kann jeder auf einen Track schmeißen und ihn „laut“ machen, aber wer bei mir etwas mastern lässt bekommt Meinung zu den technischen Aspekten der Produktion, Tipps von mir wie er den Mix verbessern kann und dann eine polierte, verfeinerte Version seines Tracks. Klingt recht technisch, hat aber einen ganz eigenen Reiz.

 

Das Mastering ist allerdings nicht deine einzige Tätigkeit im Studio. Du bist auch fleißig dabei eigene Tracks zu veröffentlichen, demnächst auf Joachim Spieths Label Affin. Erzähl uns doch ein bisschen über deine kommenden Veröffentlichungen.

Das Release auf Affin am 27.10.2014 ist ein kleiner Meilenstein für mich, einerseits gefällt mir der Affin-Katalog sehr gut und ich spiele sehr gerne Affin-Releases in meinen Sets, andererseits weiß ich das Joachim sehr gezielt Produktionen selektiert. Er hat eine Nummer ausgewählt auf die ich sehr stolz bin, vor der aber ein paar andere Labels an die ich das Material geschickt habe zu viel Respekt hatten. „Ritual“ ist sehr hypnotisch, besteht aus rein analogen Sounds, die einzelnen Elemente wurden nicht programmiert sondern live performt. Das ist mir eigentlich immer sehr wichtig, dass alle Sounds von mir selber erstellt werden, das Element „Mensch“ spürbar ist und nicht alles so steril klingt. Das Feedback zu dem Track war bisher überwältigend, einige Acts die ich sehr respektiere haben ihren Support ausgesprochen. Das ist mir ziemlich wichtig, heutzutage kann zwar jeder sehr einfach ein Label gründen und seine Musik Online selber veröffentlichen, aber da existiert dann keine Qualitätskontrolle, niemand der dir sagt „Hey, was du da machst ist cool, ich unterstütze das, lass uns das rausbringen!“.

Demnächst kommt außerdem einiges an Remixen heraus, unter anderem auf Nachtstrom und eine experimentellere Geschichte für Saa, das ist ein Pop-Duo aus London und Oslo. Und ich hab natürlich schon wieder neues eigenes Material am köcheln, da möchte ich aber noch nicht zu viel verraten.

 

Als reiner DJ ist es heutzutage schwierig dauerhaft auf sich aufmerksam zu machen. Eigene Tracks produzieren ist in den letzten Jahren unverzichtbar geworden um sich selbst als Künstler in der Szene zu platzieren. Auf der anderen Seite gibt es auch Acts, die sich rein auf das DJing beschränken und andere, die nur im Studio arbeiten. Inwiefern ist dabei die Balance zwischen beiden Welten wichtig?

Das ist etwas das jeder zuerst einmal für sich selber entscheiden muss. Ich kann auf jeden Fall sagen das man allein vom Techno produzieren nicht reich wird. Die gesamte Musik-Industrie hat sich in den letzten 10 Jahren dahingehend bewegt, dass mit Auftritten und Merchandise Geld verdient wird, nicht mit Plattenverkäufen. Sicherlich hat man den Jackpot geknackt wenn man einen Track als Werbesong verkauft bekommt, das ist aber bei der Musik die ich als HOURS produziere sehr unwahrscheinlich. Im Studio sitzen und Tracks bauen taugt mir sehr, aber hin und wieder muss ich raus und den Leuten meine Sachen selber vorstellen. Wenn du einen deiner eigenen Tracks spielst und die Leute gehen mit, das ist das beste Gefühl auf der Welt.

Ich brauche definitiv beides, ich kann nicht nur fremde Sachen spielen ohne mich selber auszudrücken und dennoch brauche ich das Gefühl auf der Bühne zu stehen. Dabei ist es aber egal ob 2 oder 2000 Leute tanzen, Hauptsache die Leute haben mit mir Spaß.

 

Du bekommst natürlich auch die Entwicklung der Stuttgarter Produzenten in den letzten Jahren mit. Wie siehst die Zukunft unseres Kessels in Bezug auf Techno aus?

Wir haben sicherlich einiges an Talent im Kessel, mir fehlt bei den Meisten aber ein gewisser Mut etwas Eigenständiges zu erschaffen. Das ist ein Problem das jede Szene hat die gerade „In“ ist, aber etwas mehr Experimentierfreude sollte drin sein, auch da gerade Jungs wie Janzon, Chris Hirose oder Konstantin Sibold mit gutem Beispiel voran gehen. Der Anspruch, das alles aber immer klingen soll wie bei Act XY der gerade angesagt ist steht da vielen im Weg. Springt über euren eigenen Schatten, produziert mal was mit 100 statt 130 BPM, lasst die Kickdrum weg oder nehmt das Schnurren eurer Katze auf und macht daraus einen Track. Aber vor allem, hört viel verschiedene Musik aus verschiedenen Genres. Die großen Namen mit denen ich zu tun hatte sagen da alle dasselbe, wenn du nur Techno machst wirst du blöd und wer erfolgreich produziert und behauptet er hört nur Techno, lügt.

 

Wie siehst du allgemein die elektronische Musik- und Clubszene in letzter Zeit? Oder besser gefragt, interessiert dich dieser ganze Rummel überhaupt?

Ich nehme mal an du sprichst den Ausverkauf an der da gerade stattfindet, mit SFX, Beatport usw. Das ist etwas das vor 10 Jahren in der Metalszene fast genauso stattgefunden hat, mich wundert das überhaupt nicht. Das ist immer zyklisch angelegt, ähnlich wie in der Modewelt. Heute ist es nur noch schlimmer, da man mit Platten kein Geld mehr macht, und die Major-Labels eben riesen Geldmaschinen sind die gefüttert werden wollen. Also steigen sie jetzt in die ganzen Mega-Events ein, Tomorrowland, Awakenings. Da ich der Meinung bin, dass Techno sowieso in den Club gehört und nicht auf Festivals interessiert mich das nicht besonders, es taucht aber immer wieder in meinem Newsfeed auf. An alle, die auf mehr aus sind wie Massenabfertigung unter freiem Himmel: geht in Clubs feiern, da können die Acts wenigstens ihr Set aufbauen und nicht nur 55 Minuten Pre-Recorded  vom iPod laufen lassen. Außerdem seid ihr viel näher am Act dran und das Ganze ist viel intimer. Und bitte beschwert euch nicht über 5€ Eintritt, ihr seid ja auch bereit Unsummen Eintritt für Tomorrowland & Co. zu zahlen.

 

Was steht bei dir in Zukunft noch alles an? Gibt es bereits einige Projekte über die du sprechen kannst?

Ich sitz eigentlich immer an neuem Material, bis die Tracks gesignt sind weiß ich aber meistens nicht wohin die Reise geht, ich möchte mich da auch gar nicht so festlegen. Es wird aber sowohl härtere Geschichten als auch die eine oder andere Ambient-Nummer von mir geben denke ich. Vielleicht schreib ich auch etwas Filmmusik, ich würde sehr gern mal wieder einen Kurzfilm vertonen. Ich werde noch ein paar Workshops in Mannheim zum Thema Remixing geben. Außerdem arbeite ich gerade an einem Plugin für Ableton Live, das die Synchronisation im Live-Betrieb vereinfacht und stabilisiert. Mehr Zeit müsste man haben!

 

Zu guter Letzt – Grüße, Ankündigungen oder Danksagungen?

Zuerst einmal Danke für das Interesse und dass ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern durfte! Dann natürlich viele Grüße an die Lehmann Crew, Simo Lorenz, Sutter Cane, und Joachim Spieth, die mir einiges ermöglicht haben, und natürlich allen anderen, die mich supporten: ohne euch wäre das gar nicht möglich!

Christian Schmidt